Kommunale Wärmeversorgung

Die Energie vom Feld

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Feldfrüchte, Holzhackschnitzel, Putenmist – die Rohstoffe für die Bionahwärmenetze der Süwag in Großaspach und Sulzbach entstehen gleich nebenan. Immer mehr Menschen in der Region möchten die klimaschonende Wärme nutzen.

Wer über die Landstraße vom schwäbischen Backnang nach Großaspach fährt, erblickt kurz vor dem Ziel linkerhand zwei große weiße Rundbauten. Wie Sahnehäubchen ragen ihre kegelförmigen Spitzen aus den umliegenden Maisfeldern. „Von hier stammt die Wärmeenergie für rund 330 Wohneinheiten in Großaspach“, sagt Jürgen Hagenlocher und biegt ab in Richtung Schöntaler Hof. Mehr als 10.000 Puten sind hier zu Hause – und ihre Hinterlassenschaften landen in der strahlend weißen Biogasanlage direkt neben den Ställen.

Aus dem Mist der Tiere sowie aus Pflanzen entsteht hier seit 2010 umweltfreundlicher Strom. „Seit 2016 nutzen wir außerdem die Abwärme, die dabei anfällt, zur Beheizung von Gebäuden“, erklärt Hagenlocher, der nun vor der Biogasanlage steht. Als Projektingenieur der Süwag hat er maßgeblich dazu beigetragen, dass Großaspach heute über ein modernes, klimafreundliches Bionahwärmenetz verfügt. Über eine rund 500 Meter lange Rohrleitung gelangt auf 90 Grad erhitztes Wasser von der Biogasanlage zur Süwag-Heizzentrale in der Backnanger Straße. Von dort wird es über ein rund vier Kilometer umfassendes Leitungsnetz mit einer Temperatur von 80 bis 87 Grand an die angeschlossenen Haushalte verteilt.

„Bis es soweit war, mussten viele Beteiligte unter einen Hut gebracht werden“, sagt Hagenlocher und zählt auf: Neben dem Energieerzeuger, auf dessen Hof er gerade steht, führte er zahllose Gespräche mit der Gemeindeverwaltung, mit potenziellen und tatsächlichen Kund*innen sowie den ausführenden Firmen. Mittlerweile versorgt das Nahwärmenetz in Großaspach insgesamt 83 Gebäude. Im Jahr 2020 erhielten diese zusammen rund 3,4 Millionen Kilowattstunden Wärme. 90 Prozent davon stammten aus der klimaneutralen Abwärme der Biogasanlage, die übrigen zehn Prozent wurden in einem Erdgaskessel erzeugt. „Damit konnten wir 2020 in Großaspach rund 1.200 Tonnen CO2 einsparen“, sagt Hagenlocher und stellt noch mehr klimafreundliche Wärmeenergie in Aussicht: In den nächsten Jahren soll das lokale Nahwärmenetz um zwei Kilometer Leitungen anwachsen und unter anderem das Schulzentrum und ein kleines Neubaugebiet versorgen.

Nahwärme hat in Sulzbach Tradition

Um Wachstum kümmert sich derzeit auch Hagenlochers Kollege Christoph Lohrmann. Der Projektingenieur steht auf einer Straßenbaustelle rund zehn Kilometer nordöstlich und erkundigt sich, wie die Arbeiten vorangehen. Hier, in Sulzbach an der Murr, werden gerade neue Rohre verlegt. „Bautechnisch sind Nahwärmenetze aufwändiger und langwieriger als beispielsweise Stromnetze“, sagt Lohrmann, der sich in enger Abstimmung mit den Baufirmen dafür einsetzt, die Einschränkungen für die Bevölkerung so gering wie möglich zu halten. Beschwerden gibt es auch deshalb wenig, weil die Nahwärme in Sulzbach Tradition hat: Bereits 1997 ging das Netz hier in Betrieb, zunächst angetrieben von einer Hackschnitzelanlage, die mit Abfallholz aus dem Schwäbischen Wald befeuert wird. 2012 schloss die Süwag zusätzlich eine Biogasanlage im Lautertal ans Netz an, die wie ihr Pendant in Großaspach aus Putenmist und Pflanzen Wärme und Strom erzeugt.

Ein Bau­stein der Energie­wende ist die dezen­trale Ver­sorgung. Wie wird sich das Engage­ment der Süwag hier ent­wickeln?

O-Ton Dr. Markus Coenen

Lohrmann betreut seit 2009 das Bionahwärmenetz, das zunächst kein Selbstläufer war. „Anfangs war es relativ schwierig, die Kundschaft von dieser klimafreundlichen Energieform zu überzeugen“, erinnert er sich. Viele Menschen waren skeptisch, ob sich die Kosten für den Hausanschluss und die Wärmeübergabestation lohnen, die den Heizkessel ersetzt. „Inzwischen ist die Akzeptanz stark gestiegen und Hausbesitzer*innen fragen aktiv nach, wann sie ans Netz angeschlossen werden können“, sagt Lohrmann. Er verweist auf Förderprogramme und Regulierungen wie das baden-württembergische Klimaschutzgesetz und die neue CO2-Abgabe als wichtige Treiber sowie auf das gestiegene Umweltbewusstsein in der Bevölkerung: „Die Heizung hat bei Privatleuten meist die stärkste Klimawirkung, hier lässt sich also sehr viel CO2 einsparen.“

Insgesamt sind es fast 1.700 Tonnen CO2, die der Atmosphäre dank der Sulzbacher Bionahwärme jedes Jahr erspart bleiben, Tendenz steigend: Zu den momentan 135 angeschlossenen Gebäuden kommen weitere Bestandsimmobilien und perspektivisch ein Neubaugebiet hinzu. Sie alle profitieren neben der Klimafreundlichkeit von weiteren Vorteilen der Bionahwärme: niedrige laufende Kosten, weniger Platzbedarf im Keller und ein Netz, das durch die Süwag rund um die Uhr aus der Ferne überwacht und gewartet wird. Hinzu kommt, wie es Lohrmanns Kollege Jürgen Hagenlocher ausdrückt, „das gute Gefühl, dass die Energie auf den Feldern Ihrer Region nachwächst.“

Fotos: SeitenPlan/Sascha Kreklau, Video: SeitenPlan/Sascha Kreklau